Mein Vater (Jürgen Heymann) und ich sind gerade zu Besuch beim „Suubi Center“ gewesen („Suubi“ bedeutet in der Landessprache „Hoffnung“ und ist der lokale Name unseres Hoffnung für Uganda Projektes). Hier sind einige Eindrücke:
Die Hinreise war sehr lang, sodass wir ca. 30h am Stück wach waren. Aber wir kamen endlich in der Ferienwohnung an, einer schönen Villa mitten im Nirgendwo. Von dort aus musste man ca. 1,5h zum Ausbildungscenter fahren – nicht weil es so weit weg war, sondern weil die Straßen so schlecht sind und man deswegen oft sehr langsam fahren muss. Wir mussten also unsere Zeit möglichst sinnvoll nutzen und Autofahrten mit Besorgungen etc. kombinieren. Würden wir alles schaffen, was wir uns vorgenommen hatten? Natürlich nicht, denn in Uganda kommt immer alles anders als geplant. Aber ehrlichgesagt störte mich das gar nicht so sehr: die Leute vor Ort sagen in solchen Situationen einfach „mpola, mpola“ – „langsam, langsam“ und konzentrieren sich auf das, was gerade vor ihnen liegt, ohne sich wegen der veränderten Pläne aufzuregen. Ich hatte diese Worte schnell gelernt, denn wir hatten viel Anlass, sie zu nutzen:
Mein Vater und ich waren diesmal bestens vorbereitet auf die Sonne, doch dafür wurden wir anderweitig krank: erst durch die Malaria-Medikamente, dann für 2 Tage durch eine unbekannte Grippe. Dann hatten wir auch noch für einen halben Tag eine Autopanne: Wir hatten es beim Fliesen-kaufen überladen, und bei den schlechten Straßen ging ein Radlager kaputt. Wir fanden zum Glück eine Werkstatt und die Leute konnten das Auto innerhalb von 4h (von 18-22h abends!) wieder flott machen. Durch diese Erfahrung weiß ich jetzt, wie man einen Autoreifen wechselt und wie Bremsscheiben und ein Radlager aussehen!
Aber wie ich oben beschrieben hatte, die Planänderungen haben mich gar nicht so sehr gestört. Die 2 wichtigsten Dinge, Küche fertig machen, Mandala-Garten, haben wir geschafft, und wir haben andere Tätigkeiten gefunden, die „gerade vor uns lagen“. Hier sind einige davon:
- Ich habe angefangen, die 2 Welpen beim Center zu erziehen – Sitz, Komm, Schau mich an… die beiden Hunde sind noch total hyperaktiv, aber sie sind schlau und süß!
- Papa hat mit den anderen Männern die Küchenplatte installiert und die Fliesen gelegt
- Alle haben zusammen die Küche und Toiletten gestrichen. Mit „alle“ meine ich alle Leiter/Bauhelfer, wie auch ein paar der Frauen aus dem Ausbildungsprojekt. Dabei ist letzteres in Uganda keineswegs eine Selbstverständlichkeit: Geschlechterrollen sind in Uganda sehr streng definiert, und Wändestreichen ist laut der lokalen Kultur eine „Männeraufgabe“. Entsprechend haben die Teilnehmerinnen des Projektes zunächst nicht mitgeholfen, sondern andere Aufgaben gemacht und aus etwas Entfernung uns beobachtet. Aber dann, als ich und mein Vater krank wurden, fuhren Sylvia und Byron (die Leiterin und ihr Cousin, die für die Reisedauer mit uns wohnten) trotzdem zum Center, um weiter zu streichen. Da kamen dann doch ein paar der Frauen auf Sylvia zu und fragten „können wir auch streichen?“. So lernten diese Frauen, dass sie vielleicht mehr könnten als sie sich zugetraut hatten, und eine Frau meinte hinterher stolz: „wenn ich jetzt etwas streichen muss, kann ich das selber!“
- Ich verbrachte bei dieser Reise zum ersten Mal eine längere Zeit mit den Kindern vor Ort: Ich zeigte ihnen, wie man Windräder und Spielzeugautos baut, zeichnete mit ihnen Tiere im Staub, brachte ihnen einfache Spiele bei, usw. Das machte Spaß, war aber mehr als das: Kinderspiel ist nicht sinnlos wie viele meinen, sondern sehr wichtig für die Entwicklung von Phantasie, Feinmotorik, abstraktem Denken, Wahrnehmung von Details, Selbstbewusstsein, Kreativität… alles Fähigkeiten, die später wichtig werden, aber vielen Menschen aus armen Verhältnissen fehlen. Die Mütter sind aufgrund ihrer traumatischen Erfahrungen deutlich zurückhaltender als ihre Kinder, doch sie sahen das Spielen, und Gegen Ende der Reise hatten sie sich ein wenig mehr geöffnet. Ich habe vor meiner Abreise einige Bastelsachen in den Händen der Mitarbeiter gelassen. Ich hoffe, dass sie es weiterhin nutzen und dass die Kinder Stück für Stück ihre Kreativität entfalten können.
- Wir bauten einen sogenannten „Mandala-Garten“, ein Hochbeet, was in symmetrischer Form angeordnet ist und wo die Pfade etwa Spatentief ausgegraben sind. So werden die Pfade zu einem kleinen Wasserreservoir, anstatt dass das Wasser absickert. Die Beete werden mit Kompost versetzt (zersetzter Biomüll, Erde und Dünger) und mit Stroh/Mulch abgedeckt. Außerdem haben wir die Beete eingefasst mit „Ecobricks“: Plastikflaschen, die mit Plastikmüll und Erde gefüllt sind. Wie die Pflanzen in diesem Beet wachsen müssen wir noch austesten. Aber hoffentlich wird diese Methode dabei helfen, den Zugang zu Lebensmitteln zu verbessern und gleichzeitig Plastikmüll in etwas Sinnvolles zu verwandeln (in Uganda gibt es keine Müllabfuhr).
- Zeit verbringen mit den Menschen: Ob es Basteln, Fliesen legen oder Fußballspiel war, wir haben als Gäste uns einfach Zeit für die Menschen genommen. Das sieht auf dem Papier nicht „produktiv“ aus, ist aber sehr wichtig: Armut hat viel mit kaputten Beziehungen zu tun, was dann Auswirkung auf das Selbstbild, Umgang mit Partnerschaft/Familie/Arbeit zu tun hat… insbesondere mein Vater war hier ein großes Vorbild: Ein Mann, der Respekt gegenüber Frauen zeigt, ein weinendes Kind seiner Mutter bringt oder mit Kindern spielt? Das ist in Uganda leider selten. Weder die Frauen noch ihre Kinder kennen gute männliche Vorbilder. So waren die Kinder einfach froh, für ein paar Tage einen Papa zu haben. Und die Frauen haben für einen Moment gesehen, dass sie mehr von einem Mann erwarten dürfen als Missbrauch oder Geringschätzung.
- Am letzten Tag beim Center kam das „Ugandan Water Project“ vorbei, um Datenmessungen von unserem Gelände zu machen. Sie wollten ermitteln, ob sie auf unserem Grundstück einen Brunnen bauen könnten und wie ertragreich dieser sein würde.
- Bevor wir das Center verließen haben wir noch die Küche offiziell eingeweiht, bei einer Weihnachtsfeier. Zum besonderen Anlass schlachteten wir sogar 2 Hähne aus eigener Zucht. Eins schlachtete der 13-Jährige Ashiraf, eins davon schlachtete ich. Es war das erste Mal, dass ich ein Huhn geschlachtet habe. Ich machte Portraitfotos von den Patenkindern, den Mitarbeitern, erzählte kurz die Weihnachtsgeschichte und dann bastelten wir alle kleine Weihnachtsbäumchen. Dann gab es endlich Essen, und Geschenke: die Patenkinder bekamen alle einen Rucksack mit ein paar Kleinigkeiten (Armbänder, Zahnbürste, Luftballons, Kekse…). Als es dunkel wurde gingen die Familien nach Hause und die Reisegruppe fuhr ein letztes Mal zur Ferienwohnung.
- Die letzten beiden Tage waren wir in Kampala (die Hauptstadt) und Entebbe (wo der Flughafen ist). In Kampala haben wir die Lilly Avenue Kleidungsgeschäfte besucht und die Rucksäcke für ihre Patenkinder abgeladen (die Rucksäcke hatten wir aus Deutschland mitgebracht). Wir haben mit den Mitarbeitern gesprochen und jedem Laden einen Banner geschenkt, wo ihr Logo draufsteht. In Entebbe haben wir schließlich den botanischen Garten besucht, wo der Tourguide uns alles mögliche über die Pflanzenwelt erzählte: Diese Pflanze hilft gegen Schlangengift, dieser Baum hat Früchte wie Kanonenkugeln, dieses Kraut hat Blätter wie Sandpapier… es war faszinierend, und half den lokalen Leitern, den Wert ihrer eigenen Natur und ihres eigenen Landes zu sehen. Sie wollen einige dieser Pflanzen beim Ausbildungscenter haben und den Familien und dem Dorf beibringen, wie man diese nutzt.
Das waren nur Auszüge der Reise, aber ihr merkt, dass es voll war. So hat es mich nicht gestört, dass Dinge manchmal „mpola, mpola“ waren. Wenn man sieht, was außerhalb des Rasters alles passiert, entdeckt man Herausforderungen, aber auch Gründe zur Hoffnung, die Freude machen.